Interview Silke

Eine erste Unterstützerin berichtet:

 

Silke, wie kam Dein Kontakt zu Uganda zustande?

Ich habe 1993 Rehabilitationspädagogik studiert und wollte während meines Studiums unbedingt mal für ein Projekt in ein afrikanisches Land gehen. Ich wusste in meinem Leben nie, was ich genau will, in welche Richtung ich gehen soll usw. , aber in diesem Bereich hatte ich eine große Sicherheit und wollte es unbedingt!! Ich wollte mir mein eigenes Bild machen von der Situation, dem Alltagsleben, den Problemen und dies nicht gefiltert durch die Medien, bei denen das Afrika-Bild immer zwischen so starken Extremen schwankt/dargestellt wird. Auf der einen Seite die bittere Armut, Hunger, Elend, Krankheiten, Krieg…, auf der anderen Seite Exotik, Trommeln, Tänze, Dschungel, Heiler….. Es gab damals einen Flyer „Lernen und Helfen in Übersee“ mit 40 Adressen, die ich in eine Telefonzelle in der Danziger Straße über mehrere Wochen durchtelefonierte. Die einzige Möglichkeit für mich war das studentische ASA-Programm (Auslandsstudienaufenthalte) der Carl-Duisberg Gesellschaft. Diese boten mehrere Projekte in verschiedensten Ländern Afrikas und Amerikas an und mir sprang gleich das Projekt “Rehabilitation in Uganda“ ins Auge. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich erstmal auf der Karte nachschlagen musste, wo das Land genau liegt. Die Bewerbungsfrist für dieses Projekt lief am nächsten Tag ab und ich hatte weder einen ordentlichen weißen Block zu Hause noch einen Computer oder ähnliches. Ich sollte eine genaue Begründung, Konzeption und Vorgehensweise des Projektes über mehrere Seiten erstellen. Da meine Englischkenntnisse auch begrenzt waren, wollte ich das Vorhaben schon verwerfen, traf aber eine Kommilitonin, die mich durch ihre selbstbewusste Wurstigkeit beeindruckte. Noch heute höre ich genau ihre Worte: „Hau auf die Kacke! So muss man das heute machen! Nur Du kannst das kriegen!“ Ich schrieb bis 4 Uhr nachts die Bewerbung, Projektkonzeption etc. mit der Hand, stand morgens 6. Uhr auf, um es ins Reine zu schreiben und brachte sie dann mit dem Fahrrad persönlich zum Lützowufer (Sitz der Organ.). Ich hatte, wie ich später erfuhr, die einzige handgeschriebene Bewerbung abgegeben.

 

Wie alt warst Du?

Als ich im Oktober 1993 nach Uganda flog, war ich 26 Jahre alt.

 

Was hat es für Dich bedeutet, in dieser Lebensphase mit so einem fremden Land in Kontakt zu bekommen?

Ich war wahnsinnig aufgeregt. Zu DDR- Zeiten war ich zwar auch nach Rumänien oder Bulgarien gereist, kurz nach der Wende dann mit dem Interrail-Ticket (Zug) durch Frankreich und Spanien, aber eine Reise in einen anderen Kontinent hatte ich noch nie unternommen. Obwohl ich es unbedingt wollte, hatte ich doch auch riesige Angst vor dem Unbekannten, das da auf mich zukommt. Es war so eine diffuse nicht greifbare Angst, ich wusste nicht einmal genau, wovor ich eigentlich Angst hatte, da mir gar nicht klar war, was auf mich zukommt und was dort meine Rolle sein sollte. Ich weiß noch, dass ich im Zug zum Frankfurter Flughafen die ganze Zeit vor Angst geheult habe und mich erst beruhigte, als ich in Frankfurt meine – sehr reiseerfahrene – Mitstreiterin traf.

 

 

Was hast Du dort gemacht?

Ich und eine andere Studentin haben mit einer NGO zusammengearbeitet, die kurz vorher gegründet worden war und sich für die Verbesserung der Situation von behinderten Kindern einsetzte. Sie betreute vor allem ein Projekt auf einem Dorf, in dem sie mehrere Kinder in Familien und auch eine Schule für behinderte Kinder begleitete. Wir erstellten eine Art Situationsanalyse der Probleme von behinderten Kindern, ihrer Ursachen, Betreuung, Verantwortlich- und Fördermöglichkeiten. Dazu führten wir z.B. Interwievs mit Eltern der Kinder und arbeiteten mit 2 Lehrerinnen zusammen, die uns sehr ans Herz wuchsen. Eine dieser Lehrerinnen war die Mutter des späteren Schulgründers Roland Mulondo.

 

Hast Du all die Jahre Kontakt gehalten?

Ich habe mit Florence, der Mutter von Ronald, im Briefkontakt gestanden. Diese toughe Frau hatte mich enorm beeindruckt. Ich sehe sie noch vor mir, wie sie selbst ohne Mann Ziegel für eine neue Hütte brannte. Leider starb sie sehr plötzlich und hinterließ 9 Kinder. Irene bat mich dann, eines dieser Kinder mit zu unterstützen und regelmäßig Schulgeld zu überweisen.

 

Wenn Du investiert hast, hattest du keine Angst, betrogen zu werden?

Ein bisschen mulmig war einem schon, zumal dieses Geld für uns als Studenten auch keine kleine Summe war und da Bildung bei uns kostenlos war, man sich die Relationen (also wie viel das wirklich kostete!) nur schwer vorstellen konnte. Aber in Bildung zu investieren, erschien mir immer sehr sinnvoll und ich habe mich mit Irene immer gegenseitig bestärkt.

 

Erinnerst Du Dich an den Anfang des Projektes?

Ronald hatte durch Unterstützung Irenes ein Hochschulstudium als Lehrer abschließen können. 2009 gewann er bei einem landesweiten Quizwettbewerb den 1. Preis und erhielt als Gewinn kein Geld, sondern ein Stück Land. Ich habe noch all die Briefe, in denen er uns dann seine Vision einer Schule schilderte. Er führte seitenlang auf, welches Baumaterial er für genau welchen Preis benötigte und schickte erste Fotos von selbstgebauten Gebäuden, bei denen er die Ziegel selbst gebrannt hatte. Ich legte diese Briefe, ehrlich gesagt, zur Seite, weil ich dachte, er sei völlig übergeschnappt. Dank Irene, die sich von diesen Ideen stärker überzeugen ließ und mehr Vertrauen hatte als ich, fassten wir dann den Entschluss, uns das Vorhaben 2013 selbst mal anzusehen. Und das Gesehene, auch seine Haltung als Lehrer und Mensch überzeugte mich. Er war kein Selbstdarsteller, kein Bittsteller, keiner der leere Phrasen drischt, sondern strahlte große Kompetenz, Seriosität und Sensibilität aus und all seine Pläne wirkten durchdacht.

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